Der Tote im Camper - Ein Making-of

Alles begann damit, dass ich – es muss im frühen Herbst 2016 gewesen sein – mit meiner lieben Freundin Angela sportlich unterwegs war. Wir sagen zwar „Laufen“, wenn wir uns verabreden, doch im Grunde gehen wir zügig spazieren. Man will sich ja auch ein bisschen unterhalten, und schnaufend kurze Sätze hervorzupressen, weil einem die Luft ausgeht – das ist nicht dasselbe. Der Spaß steht im Vordergrund.

Ich schweife ab. Wir spazierten also zügig durch unseren Wohnort Handewitt, und Angela erzählte begeistert von ihrem Campingurlaub im schönen Hasselberg. Dorthin reiste sie mit ihrer Familie bereits seit einigen Jahren regelmäßig. Man kannte sich auf dem Platz, freute sich auf das jährliche Wiedersehen und auf gemeinsame Abende mit Grillwurst, Wein und kühlem Flensburger Bier.

Der kriminelle Teil meines Gehirns schweifte während ihres Berichts kurz ab, weil ihn ein Gedanke wie ein Blitz gestreift hatte: Ein Campingplatz wäre eine prima Location!

Diese Momente sind für einen neuen Krimi das, was der Zeugungsakt beim Entstehen neuen Lebens ist. Während der nächsten Stunden, Tage und Wochen kreisten meine Gedanken immer häufiger und detaillierter um den neuen Plot.

Wichtig dafür: die Charaktere. Ein Campingplatz, das war mir bewusst, beherbergt auch, aber nicht nur Einheimische. Ein Großteil der Bewohner reist aus anderen Ecken des Landes an. Es würden also verschiedene Mentalitäten und Dialekte aufeinandertreffen. Aber welche? Zum Glück kenne ich ein paar Autorenkollegen aus anderen Gegenden, also fragte ich Christa aus München, Susanne aus Wien und Heide aus der Pfalz, ob sie mich ‚dialektisch‘ unterstützen würden. Sie erklärten sich sofort bereit, meinen Figuren den richtigen Zungenschlag zu verpassen.

Zusätzlich zu dem Opfer aus Wien und den Urlaubern aus München bzw. Albersweiler gesellten sich noch zwei Berliner Studenten – den Dialekt beherrsche ich schriftlich ganz gut selbst – sowie ein Flensburger Journalist und seine dänische Freundin. Dazu erfand ich noch ein norddeutsches Rentnerpaar samt Hund und hatte nun ausreichend Verdächtige oder Zeugen zur Verfügung.

Ich mag besonders diesen Teil des Schreibens gern: Wie der liebe Gott erschaffe ich Menschen, gebe ihnen ein Aussehen, Charaktereigenschaften, Macken und Vorlieben, bis sie fast pulsieren vor Leben. Das Schönste ist wirklich, wenn die Leser mit eben diesen Personen mitleiden, sich mit ihnen identifizieren und gespannt verfolgen, wie es mit ihnen weitergeht.

Peu a peu entwickelte ich die Geschichte weiter. Überlegte, wer meiner Protagonisten das Opfer sein würde, und vor allem: Warum? Ein Krimi wird von hinten nach vorn aufgerollt, das macht die besondere Herausforderung aus. Ohne Täter und Motiv geht gar nichts. Beides verrate ich an dieser Stelle allerdings nicht.

Dafür müsst ihr schon den Krimi lesen. ;-)

Welcher Ort Schauplatz meines fiktiven Verbrechens sein würde, wusste ich schnell: Das Ostseecamp in Holnis. Idyllisch gelegen, in traumhafter Umgebung. Das Beste jedoch war: Ich kenne die Besitzerin des Campingplatzes. Ob sie aber damit einverstanden sein würde, wenn auf „ihrem“ Platz ein (fiktiver) Mörder sein Unwesen trieb und die Polizei ermittelte? Um das herauszufinden, rief ich sie einfach an.

Wiebke-Sophie Volquardsen war nicht nur einverstanden, sie fand die Idee großartig! Das erleichterte mich natürlich sehr. Ich fragte sie, ob ich für einige Tage vor Ort recherchieren könne, natürlich stilecht in einem Wohnwagen. Ich wusste, dass sie Mietwohnwagen anbot, und hoffte, dass einer davon frei sein würde. Wir einigten uns auf ein Wochenende, an dem einer der Wohnwagen zur Verfügung stand.

Gemeinsam mit meiner damals neunjährigen Tochter fuhr ich also nach Holnis hinaus. Schon am Empfang des Ostseecamps speicherte ich vieles von dem, was ich sah, hörte und erlebte, in einem Fach meines Gehirns ab. Die Einweisung durch einen Angestellten, der uns zeigte, wie man die Fenster des Wohnwagens öffnet, wo sich der Behälter befindet, den man später würde ausleeren müssen – all diese Dinge tauchten später in meinem Krimi auf. Dort erlebt sie allerdings mein Kommissar Lutz Weichert, der zu seinem Missfallen undercover ermitteln muss. Er kann Camping nämlich nicht ausstehen. Diese Tatsache sollte für ein gewisses Schmunzelpotential sorgen.

Den Nachmittag verbrachten meine Tochter und ich bei bestem Wetter damit, am Strand entlang zu schlendern und die Halbinsel mit dem Fahrrad zu erkunden. Selbstverständlich schaute ich mich dabei genau um und machte eine Unmenge an Fotos.

Noch nie zuvor hatte ich in einem Wohnwagen geschlafen, und so freute ich mich auf diese neue Erfahrung.

Der Samstagmorgen begann mit einem Konzert aus unfassbar vielen Vogelkehlen, so dass ich mit einem Lächeln aufwachte. Dann die morgendliche Ruhe auf dem Platz und am Strand, die später von buntem Trubel abgelöst wurde. Ich durchstreifte die Umgebung, entdeckte einen großen Ast an einem ruhigen Strandabschnitt, der an eine Bank erinnerte, die unbenutzte Sonnenterrasse eines leerstehenden Cafés, eine wild wachsende Wiese, versteckt hinter Hecken, das italienische Restaurant in der Nähe – alles Orte, die im Buch eine Rolle spielen würden, denn während ich dort stand, saß oder umherging, erwachten in meinem Kopf Szenen zum Leben, die genau hier stattfinden würden.

Mit unglaublich vielen Eindrücken und noch mehr Fotos im Gepäck ging es am Sonntag zurück nach Hause. Alles, was ich gesehen, gehört und gespürt hatte, wollte in Worte gekleidet und so in meinem Manuskript festgehalten werden.

Das Schreiben dauerte Monate, zumal ich einige Szenen, in denen es regnete, später umänderte. Frühling und Sommer des Jahren 2018 zeigten sich nämlich von ihren allerbesten Seiten, so dass ich beschloss, die Handlung während dieser Zeit spielen zu lassen.

Mitte Juli 2018 feierte ich meinen 50. Geburtstag – und zwar in Holnis. In dem Café von Wiebke-Sophie, direkt an der Promenade gelegen, begrüßte ich meine Gäste am späten Vormittag und bei allerschönstem Sommerwetter. An rustikalen Tischen, vor der Hitze geschützt durch ein helles Zelt und mehrere Strandkörbe, die nackten Füße im Sand, ein kühles Getränk in der Hand verbrachten wir ein paar Stunden, die wie ein fröhlicher Mini-Urlaub waren. Dazu gab es ein Buffet, das keine Wünsche offenließ. Alle strahlten vor Begeisterung, und ich selbst fühlte mich einfach nur happy.

 

Um mich auch später an die Einzelheiten erinnern zu können, ließ ich diesen Tag am Ende meines Camping-Krimis wiederaufleben. Dort feierten natürlich andere, nämlich meine Kommissare und einige weitere meiner Protagonisten, doch mich wird diese Schlussszene immer an meinen runden Geburtstag im Kreise meiner Familie und Freunde erinnern, und daran, wie perfekt dieser Tag gewesen ist.

 

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